Placida-Viel-Berufskolleg

Menschen achten, stärken und qualifizieren

„Mit dem Herzen dabei sein“

Schwester Theresita Maria Müller sprach in der St.-Vincenz-Kirche über das Leben der Seligen Placida Viel, deren Porträt an die Decke projiziert wurde. Foto: SMMP/Hofbauer
Schwester Theresita Maria Müller sprach in der St.-Vincenz-Kirche über das Leben der Seligen Placida Viel, deren Porträt an die Decke projiziert wurde. Foto: SMMP/Hofbauer

Freitagmorgen. Es ist 8.30 Uhr. 30 Schülerinnen und Schüler in einem Klassenraum. Absolute Stille. Nur einer redet. Eine ganz normale Unterrichtssituation? Bei weitem nicht! Denn es ist Placidatag und zu Besuch sind 15 Referentinnen und Referenten aus geistlichen Berufen zum Thema „Beruf und Berufung“.

Oder, wie Schulsozialarbeiterin Irina Rebbe es ausdrückte: „Da, wo im Leben etwas aus Leidenschaft passiert, entsteht etwas ganz Großes.“ Rebbe hatte gemeinsam mit Schulseelsorgerin Anne Nau den Tag organisiert.

Schülerinnen der FOR-O und Lehrerin Stephanie Diedrich lauschtem dem lebendigen Vortrag von Schwester Alwine Langela. Foto: SMMP/Hofbauer
Schülerinnen der FOR-O und Lehrerin Stephanie Diedrich lauschtem dem lebendigen Vortrag von Schwester Alwine Langela. Foto: SMMP/Hofbauer

„Wir haben heute einen Festtag“, sagte Schwester Gratia Feldmann. Sie war eine der vielen Referenten, die zum Todestag der Seligen Schul-Patronin Placida Viel gekommen waren, um den Schülern und Studierenden Einblicke in ihre persönlichen Erfahrungen zu geben. Gemeinsam mit Schwester Veronika Walter sprach sie zum Thema „Ordensleute – Leute für heute“, zeigten unter anderem in der gut gefüllten WBG-Aula den Film „Eine Nonne für harte Fälle“ über eine Sozialarbeiterin in Berlin. Ordensschwestern zu begegnen ist dabei für die „Placida“-Schüler nichts Besonderes, haben viele von ihnen doch Unterricht bei Schwester Theresita Maria Müller, die über „Missionare auf Zeit“ (ein Jahr im Ausland bei SMMP arbeiten) berichtete.

Die vierte Schwester an diesem Tag war Schwester Alwine Langela, die über 40 Jahre in der Missionsarbeit tätig war, unter anderem als Oberin der brasilianischen Ordensprovinz. „Im Büro – das hat mich als Person nicht ausgefüllt“, sagte sie, denn mit 24 Jahren entschied sie sich fürs Ordensleben. „Man hört nicht aus der Wolke eine Stimme, die Berufung ist ein Prozess. Man muss aufpassen, dass man die Chancen nicht verpasst“, berichtete sie in ihrem lebendigen Vortrag. Bruder Benjamin, Benedikiner-Bruder aus der Abtei Königswinter berichtete Ähnliches: „Person – persona – heißt durchtönen. Zwischen Person und Berufung gibt es einen Zusammenhang.“

Schülerinnen der SozA-U und FHR sprachen mit Pfarrer Knäpper. Foto: SMMP/Hofbauer
Schülerinnen der SozA-U und FHR sprachen mit Pfarrer Knäpper. Foto: SMMP/Hofbauer

Doch nicht nur Ordensleute waren ins Berufskolleg gekommen. „Gangsta’s Paradise“ hieß ein weiterer Vortrag: Chris Rau, der „tätowierte Küster“ der Obersten Stadtkirche Iserlohn, hatte ein hartes Leben. Drogen und Gefängnisaufenthalte prägten sein Leben, mit 12 Jahren hatte er dem Glauben abgeschworen, im Gefängnis wieder gefunden und erneut verloren. Erst nach einem Suizidversuch stieß er per Zufall auf Bibelstellen, die ihm halfen. Heute hat er das Glaubensbekenntnis auf dem Oberarm tätowiert, arbeitet mit Jugendlichen im „Checkpoint“ Iserlohn. „Total genial“ zog HEP-Student Cosimo Correia den Hut vor diesem Lebenslauf.

Ebenso gebannt wie bei Chris Rau hörten die Schüler auch Theo Halekotte, Seelsorger der JVA Werl, zu und stellten interessierte Fragen. Nicht nur zum Weg in die Berufung selber, sondern zum Beispiel auch zum Umgang mit dem, was man erlebt: Wie viel davon nimmt man mit nach Hause? Kann man immer alles, was man als Seelsorger hört, beim Verlassen der Arbeitsstelle abschütteln?

"Der tätowierte Küster" Chris Rau berichtete aus seinem nicht sehr geradlinigen Leben, das ihn zu Gott führte. Foto: SMMP/Hofbauer
„Der tätowierte Küster“ Chris Rau berichtete aus seinem nicht sehr geradlinigen Leben, das ihn zu Gott führte. Foto: SMMP/Hofbauer

Begeistert waren viele auch von den Erfahrungen von Micha Frank, der heute Jugendreferent im evangelischen Kirchenkreis Iserlohn ist – und früher ein „Nazi“ war. „Mit dem Herzen dabei sein“, sei für ihn wichtig. Oder von Krankenhausseelsorgerin Anne Berens, die selbst eine körperliche Behinderung hat. „Nur wer vorher selber mal ganz in der Tiefe war, kann ein Empfinden dafür bekommen, wie Menschen fühlen, die tief in einer Krise sind“, sagte sie. „Ich komme nicht vor Gesundheit strotzend ins Krankenzimmer, sondern mit einem Stock.“ Anne Berens strahlt, wenn sie von ihrem Beruf erzählt, man sieht ihr an, dass er tatsächlich auch Berufung ist.

Mit Dechant Jürgen Senkbeil, dem CVJM-Bundessekretär Jürgens Vogels, Dekanatsjugendseelsorger Pastor Uwe Knäpper, Gemeindereferentin Sabine Jasperneite, Caritas-Koordinatorin Elisabeth Adler und Pastorin Martina Bergmann (Angebote für Menschen mit Behinderung) waren noch viele weitere Referenten gekommen.

Der Abschlussgottesdienst bot Raum zum Reflektieren. Foto: SMMP/Hofbauer
Der Abschlussgottesdienst bot Raum zum Reflektieren. Foto: SMMP/Hofbauer

Viele von ihnen gingen gemeinsam mit der Schulgemeinde noch zum von Pastor Knäpper geleiteten Abschlussgottesdienst in die St.-Vinzenz-Kirche. Sie alle hatten Menschen erlebt, die erhobenen Hauptes dastanden und aus ihrem nicht immer geradlinigen Lebensweg erzählt hatten. Dafür dankte nicht nur Schulleiterin Gaby Petry, sondern auch die Referenten selber. Dechant Senkbeil etwa empfand die Einladung als Geschenk, als tolle Möglichkeit, mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Maria Steinberg (SozA-U) sang noch ein Lied, begleitet von Klassenkamerad Andreas Urbisch und Lehrer Matthias Schneider. Das Bild von Schwester Placida wurde an die Decke des Altarraums projiziert und unter dem milden Lächeln der Frau, die selbst trotz ihrer großen Schüchternheit ihre Berufung gelebt hat, sangen alle, unterstützt vom Chor der Klasse AHR 12b, das „Vaterunser“ zum Abschied.